Alpenblick

Chemische Desinfektion

Zur chemischen Desinfektion von Trinkwasser dürfen nur die in der „Liste der Aufbereitungsstoffe und "Desinfektionsverfahren" gemäß § 11 Trinkwasserverordnung aufgelisteten Stoffe verwendet werden. Dies sind Chlor und seine Verbindungen wie Natriumhypochlorit und Calciumhypochlorit, Chlordioxid sowie Ozon. All diesen Verbindungen ist gemein, dass sie starke Oxidationsmittel sind. Neben ihrem starken Redoxpotential sollen die eingesetzten Desinfektionsmittel u.a. noch folgende weitere Bedingungen erfüllen:

  • Sie sollen pathogene Keime und deren vegetative Formen schnell abtöten (inaktivieren).
  • Sie sollen ein breites Wirkstoffspektrum aufweisen.
  • Sie dürfen in den erforderlichen Konzentrationen selbst nicht toxisch sein.
  • Sie sollen das Wasser möglichst nicht im Geruch und Geschmack oder Aussehen beeinträchtigen.
  • Sie sollen mit anderen Wasserinhaltsstoffen möglichst keine störenden Verbindungen (Desinfektionsnebenprodukte) bilden.
  • Sie müssen im Wasser genügend beständig sein, um im Wasser eine hinreichende und andauernde Keimtötungswirkung zu gewährleisten.

Um ein Wasser mittels Zudosierung von Natriumhypochlorit-Lösung (NaOCl) (Chlorbleichlauge mit 15 % freiem Chlor) wirksam entkeimen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der pH-Wert des Wassers sollte im Bereich von 7,0 bis 7,6 liegen. In diesem Bereich liegt eine optimale Desinfektionswirkung vor.
  • Das Wasser sollte keine hohen Gehalte an organischen Verbindungen aufweisen. Diese bedingen zum einen eine erhöhte Bildung an Trihalogenmethanen, wie Trichlormethan (Chloroform), Bromdichlormethan, Dibromchlormethan und Tribrommethan (Bromoform) und zum anderen eine unerwünschte Chlorzehrung (Bindung von freiem wirksamem Chlor an organisches Material).
  • Das Wasser sollte keine hohen Gehalte an Ammoniak und Ammonium-verbindungen enthalten, da diese eine Chlorzehrung durch die Bildung von Monochloramin, Dichloramin und Trichloramin (Stickstofftrichlorid) bedingen und zudem dem Wasser einen unerwünschten starken Chlorgeruch verleihen.
  • Das Rohwasser sollte keine Phenole oder phenolähnliche Stoffe, die durch den mikrobiellen Abbau von Lignin und ähnlichen Naturstoffen entstehen, in kleinen Konzentrationen enthalten. Durch die Reaktion von Chlor mit phenolhaltigen Wässern bilden sich sehr geruchsintensive Chlorphenole, die als „Apothekengeruch“ identifiziert werden.

Chlordioxid (ClO2) wird entweder durch Oxidation von Natriumchlorit mit Chlor oder durch Disproportionierung von Natriumchlorit mit Säurezusatz hergestellt. Chlordioxid hat dabei gegenüber der Chlorung mit Natriumhypochlorit den Vorteil, dass keine Trihalogenmethane gebildet werden, es nicht mit Ammonium-Ionen zu Chloraminen reagiert, mit Phenolen keine unangenehmen Geruchsstoffe und Geschmacksstoffe bildet sowie im Wasser längere Zeit beständig ist.

Bei der Oxidation mit Ozon (O3) werden neben der Entkeimung alle im Wasser enthaltenen Geruchsstoffe und Geschmacksstoffe durch Ozonspaltung abgebaut. Demzufolge eignet sich dieses Aufbereitungsverfahren bei der Anwesenheit von Phenolen und phenolähnlichen Verbindungen im Wasser. Da Ozon leicht zerfällt, ist die Entkeimungswirkung im Rohrnetz als gering einzustufen.

Bei der Auswahl eines chemischen Desinfektionsverfahrens im privaten Bereich ist in den meisten Fällen die praktikable Handhabung als auch die Fachkompetenz des Anwenders von entscheidender Bedeutung. Von den oben aufgeführten chemischen Desinfektionsmethoden dürfte aufgrund des geringeren technischen und finanziellen Aufwands die Zudosierung von Natriumhypochlorit (Chlorbleichlauge) am leichtesten realisierbar sein. Als weiteres praktikables Verfahren wäre auch noch die Chlorelektrolyse zu nennen.

Letztlich sei noch darauf hingewiesen, dass die chemischen Desinfektionsmittel aufgrund ihrer stark oxidierenden Eigenschaften zu einer Erhöhung der Korrosionswahrscheinlichkeit beitragen können. Eine korrosionschemisch kritische Situation liegt insbesondere dann vor, wenn die Desinfektionsmittel nicht ausgespült werden und längere Zeit in den Leitungen verbleiben. Diese Situation ist bei nicht oder wenig durchflossenen Blindleitungen (Totzonen) und konstruktiv bedingen Spalten gegeben. In diesen Fällen können örtliche Korrosionen (Spaltkorrosionen) auftreten.